Lernende mit Lernschwierigkeiten reagieren sensibel auf verschiedenste Einflüsse

EBA Lernende im Speziellen, aber auch EFZ Lernende mit Lernschwierigkeiten reagieren auf verschiedene Einflüsse in Lernprozessen. John Hattie hat in Hinblick auf diese Thematik verschiedenen Resultate geliefert, die in der Praxis sehr gut anwendbar sind und einen Mehrwert im Lernprozess des Lernenden bieten können.[1]

Was hilft einem Lernenden in seinem Lernprozess?

Lernende, welche ihr Leistungsniveau selbst gut einschätzen können, bringen in der Regel gute Leistungen. Man sollte daher Jugendlichen immer wieder die Chance geben, sich selbst zu reflektieren. Nur wer seine Schwächen und Lernschwierigkeiten kennt und angeht, wird daraus lernen und sich weiterentwickeln. Zu viel Hilfeleistung ist da schädlich. Wer seine Stärken kennt, kann sie Kompetenzen gerecht einsetzen und gewinnt so an Selbstvertrauen.
Natürlich hängt dies alles mit der kognitiven Entwicklungsstufe zusammen. Daher ist die heutige Regelung gleichaltrige Kinder in eine Klasse zu stecken kontraproduktiv. Kinder und Jugendliche, welche sich kognitiv etwas langsamer entwickeln werden so abgestraft und entwickeln schon früh eine Abneigung zu Bildung. In schlimmsten Fall werden sie in Spezialklassen verbannt. Eine Klasseneinteilung nach kognitiven Entwicklung würde allen Beteiligten viel Leid ersparen.
Eine der grössten Faktoren für Zufriedenheit, Glück und Motivation ist das Wahrnehmen von Selbstwirksamkeit. Nur wer spürt, dass das, was er macht einen Sinn ergibt und Auswirkungen hat, verspürt ein Glücksgefühl. Bildung sollte daher zielgerichtet auf eine Selbstwirksamkeit hin arbeiten. Es tut den Lernenden gut, wenn sie am Ende des Tages sehen, was sie nun neues können oder was sie alles produziert haben. Flipcharts, Wandtafeln und ähnliches dürfen daher nie aus dem Klassenzimmer verbannt werden.

Was schadet den Lernenden?

Stereotypen gehören zu den grössten Lernverhinderern. Steckt man kognitiv langsamere Jugendliche mit Lernschwierigkeiten in eine Klasse, bekommen sie einen Stempel aufgedrückt. Diesen Stempel tragen viele ein Leben lang mit sich herum. Aussagen wie «ich bin Sek C und kann sowieso nichts» ersticken jegliche Anstrengung im Keim. Es ist an jedem Pädagogen solche Stereotypen abzubauen und seinen Schülern*innen zu zeigen, wo sie ihre Stärken haben. Durchlässige Leistungsklassen sind z. B. ein gutes Mittel um gegen diesen Missstand anzugehen. Leider gibt es immer noch Kantone in der Schweiz, die dieses System noch nicht eingeführt haben. Langweile, Angst und Schlafmangel sind weitere Lernverhinderer und sollten so gut wie möglich aus Klassenzimmern verbannt werden.

Im Folgenden zeige ich auf, wer oder was alles eine Rolle in der kognitiven Entwicklung eines Kindes/Jugendlichen einnimmt und wie er lernfördernd oder lernverhindernd arbeiten kann.

Das Elternhaus

Der sozioökonomische Status zeigt leider immer noch einen positiven Effekt auf die Lernprozesse von Jugendlichen. Die hängt ebenfalls damit zusammen, dass in diesen Haushalten das Anregungsniveau in der Regel höher ist. Die Gründe dafür sind vielfältig und hängen häufig mit der Zeit, welche die Eltern mit ihren Kindern verbringen, zusammen. Ist die Unterstützung der Eltern in einem Haushalt hoch und werden die Kinder frühkindlich schon stark gefördert, resultiert dies häufig in guten schulischen Leistungen. Verschiedene Studien weisen hingegen aus, dass ein hoher Medienkonsum dem entgegenwirkt.

Die Lehrperson

Ein Lehrperson sollte immer die Leistungen der Schüler fair und offen einschätzen. Dies ermöglicht dem Lernenden sich selber richtig einzuschätzen und wie wir oben schon gelesen haben, ist dies für einen Lernenden im Lernprozess wichtig. Nun kann man dies konstruktiv oder destruktiv machen. Einfach schlechte Noten zu verteilen, kann keine Lösung sein. Dem Schüler zu zeigen, wie er sich verbessern kann und vielleicht bei Lernschwierigkeiten Lösungen zu suchen, bringen da schon einiges mehr.
Lehrpersonen sollten immer glaubwürdig und klar rüber kommen. Lernende haben eine gutes Gespür dafür, ob die Person da vorne authentisch ist und weiss, worüber sie spricht. Lehrpersonen, welche eine Show aufführen oder sogar menschenverachtende Aussagen von sich geben, gehören nicht in ein Klassenzimmer. Vertraut ein Lernender der Lehrperson und fühlt sich ernst genommen, wird er motivierter am Unterricht teilnehmen und somit bessere Leistungen erzielen.
Dies hängt direkt mit der Lehrer-Schüler-Beziehung zusammen, welche nach Hattie zu den wichtigsten Aspekten im Lernprozess gehört. Fühlen sich die Lernenden in einem Raum mit der Lehrperson wohl, bringen sie die besseren Leistungen.
Die Qualität des Unterricht spielt selbstverständlich ebenfalls eine grosse Rolle. Dies beginnt schon damit, dass die Lehrperson klar kommuniziert, wo ihre Erwartungen sind.

Die Schule

Die Schulgrösse ist ein Faktor, der in der letzten Zeit häufig unterschätzt wird. Vor allem schwache und unsichere Schüler fühlen sich in grossen Schulen noch unsicher und können sich schlecht orientieren. Sie werden in ihrem Lernprozess durch äussere Umstände gehemmt. Politiker, welche aus Kostengründen immer häufiger Schulen zusammenlegen, sind sich nicht bewusst, dass sie mittelfristig eher einen Verlust generieren werden, da die Qualität der Bildung darunter leidet. Ein Schildbürgerstreich sondergleichen! Interessanterweise weist Hattie darauf hin, dass Bussen und Schulverweise keinen positiven Einfluss auf die Lernenden haben. Destruktive Verhaltensweisen können nicht mit Strafen behoben werden, da ihre Ursache nicht erkannt wird und so auch kein Lernprozess stattfinden kann. Anstatt Bussen und Verweise auszustellen, sollte mehr in Coachings und persönliche Betreuung investiert werden.

[1] Hattie, John A.C. (2009): Visible learning: A synthesis of over 800 meta-analyses relating to achievement. London: Routledge.

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